Neue Romania 

Zum Terminus Neuen Romania

Unter dem Ausdruck Neue Romania verstehen wir die eigenständige Symbiose, die aus dem Kolonialismus europäischer romanischer Länder im Kontakt mit vielfältigen außereuropäischen Kulturen hervorgegangen ist. Der Ausdruck ist nicht ohne Problematik, impliziert er doch auf den ersten Blick eurozentristisches Denken. Jedoch das Gegenteil ist erwünscht. Die Forschung zur Neuen Romania möchte herausfinden, was de facto aus dem gewaltsamen kolonialen Kulturkontakt zwischen sogenannten Autochthonen und Europäern an Eigenständigem neu entstanden ist, wo es noch Beziehungen oder Abhängigkeiten gibt und inwieweit diese Kultur der Neuen Romania heute auf die Alte Romania und andere Domänen als eigenständiges Phänomen neu einwirkt und die Alte Romania sowie andere Teile der Neuen Romania beeinflusst.
Die nach Brasilien exportierte portugiesische Kultur Europas hat sehr schnell eine von der ehemaligen Metropole losgelöste eigene Form und Gestalt entwickelt, deren vielfältige Wirkungen heute auf Lateinameri­ka, auf die lusophonen Gebiete Schwarzafrikas und vor allem auf Portugal selber ungleich größer sind als die der ehemaligen Kolonialmacht.
Die Wirkungen, die von frankophonen Schriftstellern der Karibik und Schwarzafrika ausgehen, sind in der Regel in Frankreich selber wesentlich breiter und schneller rezipiert als in der eigenen von Analphabetismus und ökonomischer Schwäche geplagten Heimat.
Gemeinsam ist allen diesen Manifestationen einer Neuen Romania, dass sie durch einen lange währenden intimen Kontakt mit autochthonen Kulturen zu etwas völlig Eigenständigem geworden sind: Das Werk eines Aimé Césaire ist eben nicht nur eine weitere Variante französischer Regionalliteratur, sondern es partizipiert mindestens genauso stark an der afrikanischen Tradition Amerikas. Es hat eine Beziehung zu Frankreich und zur Karibik, zum franzö­sischen Surrealisten Breton ebenso wie zu dem hispanophonen Kuba­ner Nicolás Guillén. Der romanische Ursprung hat also die Basis zu etwas völlig Neuem geliefert, ohne dass die Basisbeziehungen verloren gegangen sind.
So entwickeln sich immer häufiger aus der Neuen Romania heraus Strömungen, die althergebrachte Konstituenten der Alten Romania aufnehmen, in Frage stellen und neue Wege aufweisen.
Es ist daher ein selbstverständliches Anliegen der Romanischen Philologie, diesen interkulturellen Kontakt in der histo­rischen Dimension seines Entstehens wie in seiner gegenwärtigen multila­teralen Beeinflussung darzustellen und so objektiv wie möglich zu analy­sieren.

Einteilungskriterien der Neuen Romania

Traditionell teilt man die Neue Romania nach den europäischen Basissprachen ein, die in den Regionen implantiert wurden.

Die Frankophonie umfasst die Länder, die das Französische oder eine Varietät davon oder eine frankokreolische Sprache offiziell oder teilweise nutzen und die Mitglied in der Frankophonie-Gemeinschaft sind. Frankophone Länder gibt es in Amerika, der Karibik, in Afrika und im Indopazifik.

Zur Hispanophonie zählt man die Länder Mittel- und Südamerikas, die Karibik und die Regionen der USA, in denen das Spanische neben dem Englischen existiert, ferner Äquatorialguinea und Marokko.

Die Lusophonie umfasst die lusophonen Gebiete Lateinamerikas, vor allem Brasilien und die Grenzgebiete zu Argentinien und Paraguay als auch Grenzgebiete in Uruguay. Ferner die afrikanischen Länder Angola, Guinea-Bissau und Moçambique und die Inselwelt des Atlantik, in der lusokreolische Sprachen gesprochen werden.

Als Kreolophonie bezeichnet man im romanistischen Sinn die Länder, in denen Kreolsprachen gesprochen werden, die sich aus dem Kontakt zwischen romanischen Sprachen und autochthonen Sprachen außerhalb von Europa entwickelt haben.  

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