Die Kreolophonie

Was versteht man unter Kreolophonie ?

Etwa 80 Pidgin- und Kreolsprachen gibt es auf der Welt. Gemeinsam ist den meisten von ihnen der Kontakt zwischen einheimischen Idiomen und Sprechern der kolonisiernenden Völker.  Man unterscheidet sprachliche und soziolinguistische Kriterien, um Pidgins von Kreolsprache zu unterscheiden:
Während ein Pidgin ein Hilfsidiom darstellt, das durch Vereinfachung und Reduktion des Phoneminventars, eine Minimalgrammatik und einen Minimalwortschatz gekennzeichnet ist, stellt eine Kreolsprache ein Weiterentwicklungsprodukt dar, das die phonematischen Oppositionen und morphosyntaktischen Strukturen umorganisiert, sie neu gestaltet und ein autonomes Grammatiksystem entwickelt. Ein Pidgin funktioniert für reduzierte Kommunikationssituationen und Bedürfnisse und wird als kommunikatives Vehikel für Menschen verschiedener Muttersprachen und Kontaktsprachen benutzt, während eine Kreolsprache sich so entwickelt hat, dass sie Muttersprache von Sprechergemeinschaften geworden ist, die sie so ausbaut, dass sie allen Kommunikationsbedürfnissen der Gemeinschaft gerecht wird. Somit kann man prinzipiell auch die romanischen Sprachen aus dem Blickwinkel des gesprochenen Lateinischen im Kontakt mit autochthonen Sprachen historisch als Kreolsprachen bezeichnen.
In der Romanistik interessieren uns vor allem die kreolischen Sprachen, die aus dem Kontakt der romanischen Sprachen im Zeitalter des Kolonialismus und danach entstanden sind. Wir unterscheiden daher drei Gruppen: die frankokreolischen Sprachen, die hispanokreolischen Sprachen und die lusokreolischen Sprachen. 

Ursprungstheorien zu Kreolsprachen

Zum Ursprung der kreolischen Sprachen hat die Romanistik zahlreiche Theorien beigetragen. Die Evolutionstheorie versteht die Kreolsprachen als direkte Fortsetzung der implantierten Sprache (créole français). Die autochthonen Kontaktsprachen gehen in ihr partiell auf und verändern dadurch deren Struktur. Die früher weit verbreitete Mischsprachentheorie (créole à base lexicale française) wird heute nur noch von wenigen Forschern vertreten, da sie sich bei genauer Analyse als unbegründet erwiesen hat. Ein bemerkenswerter Forschungsansatz trat mit der monogenetischen Relexifizierungstheorie auf. Die Ähnlichkeit vieler Kreolsprachen teilen eine Reihe von lexikalischen und vor allem Strukturmerkmalen miteinander, nicht aber mit der sogenannten Basissprache. Der Verdacht, dass alle europäischen Kreolsprachen sich auf die im Mittemeerraum benutze Lingua Franca der portugiesischen und hispanischen Seefahrer zurückführen lassen und sich das jeweilige daraus entstandene Idiom durch Relexifizierung gebildet hat, ließ sich nicht beweisen. In jüngster Zeit haben die auffallenden strukturellen Parallelitäten in vielen geographisch getrennten Pidgin- und Kreolsprachen das Interesse der linguistischen Universalienforschung geweckt. Die Universalientheorie geht davon aus, dass es offenbar universal gültige Operationsgesetzmäßigkeiten zur strukturellen Reduzierung, zur Vereinfachung und zur Umstrukturierung sprachlicher Phänomene gibt.

Frankokreolische Sprachen

Die frankokreolischen Sprachen stehen unter der starken sprachpolitischen Domination  Frankreichs und der Frankophonie. Es fehlt ihnen daher teilweise die Anerkennung als eigenständige (Kreol-)Sprache. In der Neuen Welt kennt man das Créole louisianais in den USA, in der Karibik das Créole haïtien (HaÏti), das Antillenkreolische (Créole antillais) auf Guadeloupe, Martinique, Dominica, Saint Lucia, Grenada und Trinidad und das Créole guyanais. In der afrikanischen Frankophonie kann sich das FPA genannte Français populaire d´Abidjan der Elfenbeinküste gegenüber dem Französischen halten, ferner das frantou im östlichen Zaïre/Kongo. Die Inselwelt des Indischen Ozeans kennt das Créole réunionnais (La Réunion, F), das Frankomauritianische auf Maurice (Morisyen) und Rodrigues) sowie das Seselwa, das Seychellenkreolische der Seychellen. In Asien und Ozeanien ist das Tay Boi (Vietnam) zu erwähnen und das Bichelamar auf Neukaledonien, das ausstirbt. 

Hispanokreolische Sprachen

Zu den (seltenen) hispanokreolischen Sprachen zählen das Papiamento genannte Hispanokreolisch von Curação, Bonaire und Aruba, das am Ucayali-Fluß (Amazonasregion von Perú) gesprochene "Jungle Spanish" und das als Chabacano bezeichnete Hispanokreolische der Philippinen. 

Lusokreolische Sprachen

Die lusokreolischen Sprachen weisen die weiteste areale Verbreitung auf: Zu nennen wäre hier das Saramaccan genannte Lusokreolisch von Suriname, das brasilianische Cafundo Creole, das dialektal gegliederte Kabuverdianu von Cabo Verde (Kapverdische Inseln), das Kreolenportugiesisch des Senegal, das lusokreolische Crioulo von Guinea, sowie die Dialekte des Kreolenportugiesischen in der Inselwelt des Golfs von Guinea (Annobón (Fa d´Ambu), São Tomé und Principe). In Asien ist das vermutlich ausgestorbene indoportugiesische Kreolisch von Diu und Daman und Sri Lanka  zu nennen und das Kreolenportugiesisch von Singapore und in Restbeständen das Macaense von Macão.

 

Links zur Kreolistik

PAPIA - Zeitschrift für Hispano- und Lusokreolistik
Kreolistik an der Universität Brasilia
Kreolistik.de
Mundo Nobo Curação - Kreolsprachige Tageszeitung aus Curação
The Creolist Archives Zeitschriftenarchiv seit 1999


 

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