Die Hieroglyphen in Ägypten


Das Altägyptische machte zeitlich versetzt (um 3000 v. Chr.) eine ähnliche Entwicklung mit. Die zweite große Hochkultur des Orients, Ägypten beginnt ebenfalls mit Logogrammen und Ideogrammen, aus denen sich im Laufe der Entwicklung phonetische Komponenten zunächst in Silbenform, dann in Einzellautdarstellung entwickelt haben. Das Beispiel für "Fuß" kann hier ebenso gelten wie im Sumerischen.  
Nakht Sennefer Das piktographische Element hat die ägyptische Schrift stets begleitet. Dies ist vor allem in den Grabmalereien besonders auffallend und läßt Schlüsse auf die Etymologie der Zeichen zu. In der links dargestellten Auflistung der Speisen, die im Grab des Nakht als Wegzehrung im Jenseits dienen sollen, findet man realistische Formen von Feldfrüchten und anderen Nahrungsmitteln, die in leicht abstrahierter Form Eingang in den Hieroglyphencode gefunden haben. Im Grab des Sennefer (rechts) sieht man im oberen Bildrand auch die standardisierte Hieroglyphenschrift, die bereits phonetische Elemente beinhaltet. Die Schrift hatte neben ihrer wissensbewahrenden Funktion vor allem im Neuen Reich eine deutlich propagandistische Funktion. Während im Inneren der Tempelanlagen die Schrift sakrale Funktion hatte, dokumentierte das Äußere der ägyptischen Tempel die Machtfülle und den Machtanspruch des Pharao.  Die schon über ein Jahrtausend zuvor benutzte Dominationsgeste, die man auf der Schminckpalette des Narmer sehen kann, ist an den Außenfassaden der ramessidischen Tempel und auch im Jahrtausend danach ein wichtiger an die Beherrschten gerichteter Bestandteil der horizontalen Kommunikation. So erfüllen die Hieroglyphen über ihre in Kunst übertragene Bildhaftigkeit erstmals einen horizontalen (= an das Volk gerichteten) Kommunikationseffekt neben der kryptisch anmutenden,  exklusiv kodifizierten Kommunikation über die Hieroglyphen, die nur wenige Schriftkundige (etwa die Priesterschaft) beherrschen.    

AbuSimbel HorustempelEdfu

Als berühmtestes Beispiel gilt der Felsentempel von Abu Simbel (links), dessen Front den Machtanspruch des Pharao Ramses II und seine göttlich legitimierte  Rolle als Herrscher  im nubischen Grenzgebiet verkündet. Ähnliche pharaonische Dominationsgesten findet man aber auch noch in der ptolemäischen Endphase der altägyptischen Kunst, etwa am Tempel von Edfu (rechts).


Ein wesentliches Merkmal der Machtdemonstration war die Präsentation der Pharaonennamen. Sie spielten eine besondere Rolle in der Hieroglyphendarstellung und wurden stets in Form einer Kartusche, die die Vereinigung der beiden Herrschaftsgebiete von Ober- und Unterägypten symbolisierte.


RamsesIIStele

Das Beispiel der Ramseskartusche soll als Beispiel für die Schreibweise in Hieroglyphen dienen. Über der Kartusche (links) findet man zunächst die Herrscherbezeichnung König über Ober- und Unterägypten, gefolgt von dem Titel "Herrscher der beiden Länder" . Es folgt die eigentliche Kartusche mit dem Thronnamen User-Maat-Ra: (user=mächtig, stark) (maat=[Göttin der] Ordnung) (Ra =[Gott Amun]Ra), und  ergänzt durch den Beinamen: Setep-en-Ra. Unter der Kartusche folgt das Zeichen für Leben  (ankh) und "[ge]geben" , entstanden als pars pro toto aus der Geste des Gebens: . Die Übersetzung des Textes wäre demnach:

 "König von Ober- und Unterägypten, Herr der beiden Länder, User-Maat-Ra Setep-en-ra, dem Leben gegeben sei".



Gute Informationen und eine Einführung in die altägyptische  Hieroglyphenschrift findet man auf der Website: www.hieroglyphen.net .


Über die Vermittlung der Phönizier (1300 v. Chr.) und im Kontakt mit den Erfahrungen der mesopotamischen und ägyptischen Schrifterfindungen entwickelten sich phonetische Silbenschriften, Konsonantenschriften und schließlich Buchstabenschriften wie man sie aus der griechischen, etruskischen und römischen Tradition kennt. Dabei sind die synkretistischen Beeinflussungen der mesopotamischen und altägyptischen Kulturkreise evident. Einige griechisch-römische Zeichen lassen sich direkt auf die Tradition der antiken Piktogramme zurückführen. So entwickelten die Phönizier aus dem Zeichen für die Gottheit Hathor den Kuhkopf und daraus ein phonetisches Zeichen , das in der griechich-lateinischen Tradition wiederzuerkennen ist: . Durch die phonizischen Handelsbeziehungen im mittelmeerischen Raum lernen die Griechen die Vorteile der phönizischen Buchstabenschrift kennen und ändern sie für ihre Bedürfnisse ab. Dabei entwickeln sie aus einigen phonizischen Konsonanten  auch Vokalzeichen, die eine silbische Notation überflüssig machen. In der griechischen Schrift, die von anderen Völkern Europas adaptiert wurde, ist die Grundlage für die modernen lateinischen und slawischen Alphabete zu sehen.  

  zurück zur Textauswahl
  zur nächsten Seite