Wie entstand die Schrift?

Soziale Voraussetzungen für Schriftentwicklung

Für die Entwicklung von Notationssystemen ist eine hochgradig arbeitsteilige Gesellschaft notwendig wie man sie in der Regel in Hochkulturen antrifft. Zwar gibt es bereits bei Naturvölkern Vorläufer zur Schrift, doch diese sind beschränkt auf das Abbilden von Tieren, das Festhalten von Zahlen und bildhafte Abbildung von Szenen, die für die Gemeinschaft eine besondere Bedeutung haben. So findet man bereits vor über 300.000 Jahren Kerbmarkierungen auf Knochenstücken, vor 35.000 bis 12.000 Jahren, im Jungpaläolithikum, graphische Zeugnisse von eiszeitlichen Jagdmarken für erlegte Tiere, Zählstöcke und ähnlichen Instrumentarien, die auf einfacher Informationsspeicherung mit Hilfe von Markierungen etwa zum Zwecke der "Buchführung" beruhen. Nordamerikanische Indianer entwickelten lange vor dem Kontakt mit Europäern hochentwickelte bildlich-symbolische Notationssysteme, mit denen sie auf Leder, Rinde, Holz und andere Materialien wichtige Informationen oder Ereignisse festhielten. Hier handelt es sich um mnemotechnische Systeme, die nur durch den Eingeweihten interpretierbar und damit "erzählbar" wurden.  Die Notwendigkeit für die Ausarbeitung eines Notationssystems hängt offensichtlich unmittelbar mit den Bedürfnissen seiner Entwickler zusammen.

Stammeschronik

Stammeschronik der Dakota-Indianer

Erst mit dem Entstehen von Hochkulturen kann man an verschiedenen Orten der Welt das Aufkommen umfassend entwickelter Notationssysteme beobachten. Die landwirtschaftliche Überproduktion ermöglichte es einer ackerbauenden Gesellschaft, Menschen vom Arbeitsprozess freizustellen, um sie für bestimmte Fähigkeiten, etwa das Beobachten von Gestirnen oder das Finden des rechten Zeitpunkts für Aussaat und Ernte "auszubilden". Hieraus entwickelt sich rasch eine "Berufsgruppe", die soziale Achtung besitzt und die für die Führung des Gemeinwesens von zunehmender Bedeutung wird. Steuern, Abgaben und die Tradierung von Wohlstand bewahrendem und vermehrendem Wissen stehen am Anfang einer Entstehung sozialer Differenzierung in Beherrschte, des Schreibens Unkundige einerseits und, Herrschende und Wissende andererseits. Mit der politischen Zentralisierung der Macht der Herrschenden entsteht parallel eine soziale Notwendigkeit, Wissen zu speichern und es von einer Gruppe von Menschen bewahren zu lassen. Aus dieser Gruppe heraus entwickeln sich des Schreibens kundige Privilegierte, meist Priesterschaften, die sich  sozial abgrenzen, um ihre Privilegien zu bewahren.  Die "schriftliche" Kommunikation unterwirft sich den Bedürfnissen der Herrschaft und der sakralen Kodifizierung.    

Schreiber im Alten Ägypten

Ägyptischer Schreiber

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