Morphologie und Grammatiken

 

Die Grammatik als Inventar 

Der Strukturalismus versteht unter der Grammatik ein Inventar von bedeutungstragenden Elementen einer Sprache und den Regeln, die das Funktionieren dieser Elemente in einem System, das Kommunikation garantiert, organisieren. Es gilt als eine der zentralen Aufgaben der Sprachwissenschaft, zu erforschen, wie das grammatikalische System einzelner Sprachen organisiert ist und was den Systemen an Allgemeingültigem gemeinsam ist. Grammatik kann traditionell als ein System von Regeln verstanden werden, das man durch den primären (natürlichen) Spracherwerb oder auch später durch schulischen Unterricht erworben hat. Der native speaker kann über dieses System verfügen, ohne darüber reflektieren zu müssen. Beim sekundären Spracherwerb beschäftigt sich der Lerner neben dem relativ schnell zu beherrschenden (und nicht sehr umfangreichen) Phoneminventar mit der Lexik und vor allem mit den Morphemen, die Bestandteil der "Grammatik" und ihres Regelapparats sind. Im Tertiärsprachenerwerb besitzt der Lerner eine Fülle von Erfahrungen über das Funktionieren von Morphemen und Regelmechanismen der zuvor erworbenen Sprache(n). Im Idealfall, wenn er eine weitere Sprache derselben Sprachfamilie erwirbt, erspart er sich eine Menge Lernarbeit, weil er sein inter- und intralinguales Wissen dazu nutzt, um sich Hypothesen über das Funktionieren der neu zu erwerbenden Sprache zu machen, die er dann verifizieren oder modifizieren kann. Eine Grammatik wird in diesem Fall lediglich zu einem Hilfsmittel, einem Nachschlagewerk, um eigene Hypothesen zu verifizieren. Sie informiert den autonomen Lerner über das Funktionieren der Elemente, die bedeutungstragend sind und das System erschließen lassen. 

Deskriptive und präskriptive Grammatik

Die Kategorien der Grammatik, hierzulande fast ausschließlich aus der lateinisch-griechischen Grammatik abgeleitet, werden zu einem Begriffsinventar, in das die einzelnen morphematischen Strukturen einzuordnen sind. Man unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen deskriptiven Grammatiken, die den Morphemen die Funktionen im Gesamtssystem zuweisen und  präskriptiven Grammatiken, die oft mit didaktischer Intention einen Sprachgebrauch vorschreiben und zur (guten) Norm machen. Man nennt sie auch normative Grammatiken. Eine wissenschaftliche Grammatik hat andere Aufgaben. Sie ist deskriptiv im (vermeintlich) neutralen Sinn. Sie hat das Funktionieren einer bestimmen Sprache L in Übereinstimmung mit Prinzipien der allgemeinen Sprachtheorie zu beschreiben. Dabei wird beim Reflektieren der Modellvorstellungen zur Kommunikation, die zuvor dargestellt wurden, deutlich, dass es sehr schwierig ist, eine exakte Abgrenzung vorzunehmen zwischen den Domänen, die zur Grammatik oder zum System zu zählen sind. Die Grammatiken, die zum Spracherwerb benutzt werden, sind keine wissenschaftlichen Grammatiken. Sie konzentrieren sich in der Regel auf die Darstellung des morphologischen Inventars und den damit unmittelbar verbundenen syntaktischen Strukturen unter didaktischen Gesichtspunkten. Dominant ist daher in den romanischen Sprachen die Darstellung der Morphologie im Rahmen des Gesamtsystems. Die syntaktische Beschreibung ist auf wesentliche Aspekte beschränkt.

Grammatiken für romanische Sprachen - Nachschlagewerke 


 

  • F   Maurice Grevisse, Le bon usage, Gembloux/Paris 1993  (normative Grammatik).
          Harald Weinrich, Textgrammatik der französischen Sprache, Stuttgart 1997.
  • I     Christoph Schwarze, Grammatik der italienischen Sprache, Tübingen 1988 (generativer Ansatz).
          Moretti & Orvieto, Grammatica italiana, Perugia 1980 (normative Grammatik).
  • E   Reumuth & Winkelmann, Praktische Grammatik der spanischen Sprache, Wilhelmsfeld 1991.
          Real Academia Española, Gramática de la lengua castellana, Madrid 1984 (normative Grammatik).
  • P   Caetano da Rosa & Scotti-Rosin, Portugiesische Grammatik, Berlin 2001 (didaktische Grammatik).
  • R   Beyrer/Bochmann/Bronsert, Grammatik der rumänischen Sprache der Gegenwart, Leipzig 1987.
          Gramatica limbii române, 2 vol. Bukarest (Verlag der Akademie) 1963 (normative Grammatik).


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