Kontaktsprachen in der Romania

Das Beispiel des Baskischen

 

Basque, Vasco, Euskara

Obwohl oder gerade weil das Baskische die einzig lebende isolierte Sprache Europas ist, d.h. dass eine genealogische Verwandtschaft mit irgendeiner anderen Sprache der Welt nicht sicher nachweisbar ist, war sie von Anfang an Gegenstand romanistischer Untersuchungen. Es gibt eine lange romanistische Forschungstradition, die bis auf Hugo Schuchardt zurückgeht.

Die Sprecher dieser nicht-romanischen Sprache umfassen weniger als 1 Million Menschen in der Welt. Die meisten von ihnen, 543.000, leben in der hispanischen Comunidad Autónoma Vasca (Alava, Guipúzcoa und Vizcaya), dem Kerngebiet des Baskenlandes, weitere 52.000 leben in Navarra und etwa 85.000 in den drei französischen Pyrenäen-Départements Labourd, Basse Navarre und Soule. Etwa 110.000 Emigranten befinden sich in den USA, Mittel- und Südamerika und Europa, den Philippinen und Australien.

Die starke dialektale Zersplitterung ist auf die Besiedlung der Pyrenäentäler zurückzuführen und die sprachpolitische Domination durch das Spanische und das Französische. Drei Hauptgruppen unterscheidet man: 1. das Vizcainische, 2. das Guipuzcoanische, Labourdische und das nördl. und südliche Obernavarresisch, 3. das Soulische und das östl. und westl. Niedernavarresische.

Das Baskische im Kontakt

Das Baskische ist sicher eines der interessantesten Kontaktidiome in der Romania.  Bedroht zunächst durch das Zusammenleben mit den Varietäten des Iberischen, später durch das Vordringen des römischen Sprachkolonialismus, dann bis in die Gegenwart durch den zunehmenden Machtzuwachs des hispanischen und französischen Zentralismus. Der baskische Wortschatz bezeugt Eigenständigkeit und Kontakt. Die meisten einheimischen Pflanzen und Tiere sowie die Verwandtschaftsbezeichnungen und Naturphänomene scheinen autochthon zun sein. Zahlreiche lexikalische Elemente sind durch den jahrhundertelangen Kontakt mit Nachbarsprachen entlehnt. So gibt es vorrömische Substratwörter, die sich nicht etymologisieren lassen (z.B. zakur, der Hund), ferner haben die Sprachen der Keltiberer lexikalische Spuren hinterlassen (z.B. aran, die Pflaume), ebenso wie die Sprache der Westgoten (ehun, hundert) und das Arabische (kutun, Brief). Die meisten Lehnelemente sind lateinisch-romanischen Ursprungs. Dabei hat die Gesamtheit der Dialekte lateinische Elemente wie aditu (audire - hören), boronte (frontem - Stirn), errota (rotam - Rad) übernommen, die spanischen und französischen Lehnwörter hingegen sind regional differenziert entlehnt worden: kotxe < sp. coche südl. der Pyrenäen und  boitura < fr. voiture in Frankreich. Im Kontakt mit dem Spanischen gab es auch einige wenige morphosyntaktische Beeinflussungen.

Der heutige Status

Euskaltzindia, die 1919 gegründete baskische Sprachakademie konnte erst 1968 die Grundlagen für einen baskischen schriftsprachlichen Standard (Euskara Batua) schaffen, der sich heute weitgehend durchgesetzt hat.
Die Lage der Sprache ist trotz der Autonomiegesetze stark gefährdet. Die Sesshaftigkeit und der Mangel an Kommunikation sowie die beginnende Bergwerksindustrie ließen die Sprache in den Gebirgstälern überleben. Heute ist die Industrialisierung und die damit verbundene Mobilität der Bevölkerung, nicht zuletzt aber die starke Hispanisierung durch Zuwanderung und zentralisierte Sprachpolitik der Vergangenheit in Spanien und der Gegenwart in Frankreich der Motor für ein immer stärkeres Zurückdrängen der baskischen Kommunikationsbereiche zugunsten der beiden großen Kontaktsprachen.
Heute hat im hispanischen Verbreitungsraum des Baskischen, die autochthone Sprache die Funktion einer regionalen Amtssprache und ist mit dem Spanischen "cooficial", formal gleichgestellt. In der Primarstufe der (zweisprachigen) Schulen findet Lehre in Baskisch statt, im Sekundarbereich und danach dominiert das Spanische. In den Départements Frankreichs, in denen das Baskische überwiegt, besitzt die Sprache keinen offiziellen Status. Es wird lediglich im Rahmen der Charte européenne des langues minoritaires als Minderheitensprache toleriert.

 

Herkunftstheorien

Zahlreiche Spekulationen gibt es zum Ursprung der einzigen lebenden isolierten Sprache Europas. Mit absoluter Sicherheit ist keine der Herkunftstheorien verifizierbar, wenn auch in jüngster Zeit einige neue Indizien hinzugekommen sind (s. unter Genforschung). 
Sehr umstritten ist die alte Hypothese von besonderen Beziehungen des Baskischen zum Iberischen , dem vorrömischen Kontaktidiom der iberischen Halbinsel. Manche Forscher sehen im Iberischen die Ursprungssprache des Baskischen, andere wiederum betrachten die beiden Idiome als Schwestersprachen, die einen gemeinsamen uns unbekannten Ursprung haben. Einen schlüssigen Beweis für diese Hypothesen gibt es nicht.
Es scheint, dass das Baskische in den Gebirgsregionen des iberischen Nordens, an der Costa Brava und in den Gebirgsregionen des französischen Südens (Roussillon) verbreitet war. Vergleiche von Ortsnamen (Tossa de Mar < Turissa) lassen dies vermuten. Der Süden Spaniens gibt keine Hinweise auf eine entsprechende frühe Sprachverbreitung. Eine These, wonach das Baskische bis nach Mitteleuropa verbreitet war, stützt sich auf Ortsnamen, in denen sich vorindoeuropäische Wurzeln erhalten haben, die im Baskischen Entsprechungen finden, z. B. bask. harri (Stein) und Namen mit der Silbe har- oder kar-. Der Zusammenhang mit uralischen und paläosibirischen Elementen bleibt jedoch spekulativ.
Die Beziehung des Baskischen zum nordafrikanischen Berberischen   war Anlass zu  typologisch argumentierenden Spekulationen, die sich auf die Struktur beider Sprachen beziehen.  Auch hier fehlen überzeugende Beweise. 
Die überzeugendste Herkunftsthese geht auf Übereinstimmungen zwischen der baskischen Lexik und der grammatikalischen Struktur mit nordwestkaukasischen Sprachen zurück. Lange Zeit galt diese These als exotischer Erklärungsversuch. Vermutlich steht die Besiedlung des Baskenlandes im Zusammenhang mit der Migration und Ausbreitung des homo sapiens, der in Gegenden Europas vorstieß, die zuvor von dem archaischen Neandertaler besiedelt waren.  Der homo sapiens neandertaliensis wurde verdrängt und assimiliert. Möglicherweise ist es durch diesen ethnischen und kulturellen Assimilationsprozess zu den Vorfahren der Basken gekommen. Die Höhlen von Altamira in Nordspanien und die von Lascaux in Südfrankreich bezeugen mit ihren paläolithischen Malereien den hohen Entwicklungsstand der Vorfahren der heutigen Basken.  
Fossile Funde zeigen in Übereinstimmung mit der Genforschung, dass der moderne Mensch aus Ostafrika stammt und auf zwei Wegen nach Asien gelangt ist. Von dort aus hat er  Europa besiedelt. 

 

Genforschung

Die jüngste Genforschung scheint die Theorien der kaukasischen Verwandtschaft und den Hinweis auf den Fusionsprozess zwischen verdrängten Neandertalern und dem immigrierenden homo sapiens zu bestätigen. Der baskische Gentyp (u.a. eine hohe Frequenz der Blutgruppe 0 und Rhesus negativ) unterscheidet sich nach jüngsten Forschungen erheblich von den umliegenden Populationen. Nach Osten und Süden hin wird der Gentyp immer seltener. Die Basken scheinen eine sehr alte Bevölkerung zu sein, die erst spät Kontakt zu Einwanderern aus dem asiatischen Raum hatte.

 

Literaturhinweise:                                Kurzbibliographie.

 

Links:

Euskera online - Baskischkurs der Universität Deusto und der Zeitung El Correo

Baskisches Webportal - Viceconsejería de Política Lingüistica de Euskadi

  

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