Syntax- und Grammatikmodelle (9)

Bits mit Verstand - Spracherkennungssoftware mit künstliche Intelligenz

Der Computerpionier Douglas Lenat hat mit Cyc eine Software entwickelt, die sogar in Laptop-Computern Platz findet. Seit 1984 arbeiten Dutzende Wissenschafler an dem Programm, das künstliche Intelligenz erlangen soll. "Im Gegensatz zu anderen Computersystemen , die reine Fachidioten sind, hat Cyc auch Alltagswissen", preist Lenat. "Er weiß zum Beispiel: Wenn ein Terrorist gestorben ist, kann er keine Straftaten mehr begehen."
Das Programm kennt nicht nur Daten und Fakten, sondern durchforstet auf Befehl auch Internet-Suchmaschinen und Web-Seiten. Lenat zufolge kann Cyc die gefundenen Ergebnisse nach Wichtigkeit sortieren sowie Fehler und Widersprüche bemerken. "Das Programm kennt sogar das Fernziel seiner eigenen Entwickllung: eine selbsttätig denkende Maschine" , protzt Lenat.


Computerintelligenz für alle

Außer den Cycorp-Mitarbeitern in Austin (Texas) und Geldgebern wie dem US-Verteidigungsministerium hatten bisher nur wenige Personen Zugang zu Cyc. In wenigen Wochen will die Firma nun der Öffentlichkeit eine abgespeckte Version des Programms präsentieren, die via Internet kostenlos auf den heimischen PC heruntergeladen werden kann.
Das Surfen in der Wissenssammlung dürfte viele Computernutzer interessieren, meint Lenat. Auch bei der Suche in Internet-Datenbanken und beim Einsatz von Spracherkennungssoftware könnte Cyc hilfreich sein. Das komplette Programm erhalten kommerzielle Anwender gegen Gebühr. Es soll unter anderem bei geschäftlichen Projekten helfen und die Sicherheit in Computernetzen verbessern.
70 Ingenieure und Wissenschaftler sind derzeit mit der Cyc-Software beschäftigt. Sie bestätigen, dass der Weg zu Wissen und Intelligenz für ein Computerprogramm dorig ist. Cyc muss verstehen: Dracula war ein Vampir. Aber auch: Vampire gibt es nicht", erklärt Lenat eines der Probleme. Der Unterschied zwischen Erfindung und Realität ist ein Bestandteil der etwa 1,5 Millionen Aussagen und 30 000 Regeln über die Welt, die das Programm bislang gespeichert hat. Seit 1984 machen Forscher dies alles mühsam für Computergehirne verdaulich.
Auch eine 15-köpfige Philosophengruppe zählt zu dem Cycop-Team. Gruppenleiter Charles Klein zufolge sollen die Mitarbeiter der Computerintelligenz "gesunden Menschenverstand" einflößen, den Literatur- und Wissensdatenbanken gewöhnlich bei Lesern voraussetzen. Dazu gehört nicht nur die Erkenntnis,k dass Menschen für gewöhnlich ein Glas Wasser mit der Öffnung nach oben transportieren. "Wo muß ich langgehen, um eine Sechs zu finden?" sei beispielsweise eine idiotische Frage, die nur ein Computer stellen könne, erklärt Lenat - bis jemand dem Rechner beibringt, dass Zahlen, Ideen und Emotionen keine Gegensstände zum Betrachten und Anfassen sind. "Philosophen müssen Zusammenhänge unterscheiden, die dem Verstand zu Grunde liegen", erläutert Klein. Andere Cycorp-Mitarbeiter sind etwa in Computerwissenschaften, Biologie oder Psychologie geschult.

Missverständliche Sätze


Das größte Problem sei die Sprache, meint der Compupterphilosoph Deniz Yuret, der sich am Massachusetts Institute of Technology (MIT) unter anderem mit dem Cyc-Projekt beschäftigte. Deshalb habe das Cycorp-Team mit CycL eine eigene Sprache für die Kommunikation mit dem Rechner entwickeln müssen. Die Übersetzung der Computerausdrücke in die menschliche Sprache funktioniere bereits. "Doch auf dem umgekehrten Wege können noch Missverständnisse entstehen", erklärt Yuret, "wie etwa bei dem Satz: Fred sah das Flugzeug beim Fliegen über Zürich". Wo sich Fred befand, als er die Maschine sah, ist hier schon für einen menschlichen Zuhörer nicht klar. Beim Computer müsse man mit mehrdeutigen Aussagen noch viel vorsichtigter sein, betont Yuret. "Lenat ist ein wirklicher Pionier und seiner Zeit voraus", urteilt der Computerwissenschaftler Chris McKinstry. "Ich habe allerdings ein Problem: Das Cyc-Projekt ist Ingenieurarbeit, nicht Wissenschaft. Ein Saal voller hochbezahlter Leute, die nichts tun, als für den Rechner Vermutungen über die Welt anzustellen." Selbständig denkende Maschinen wird es denn auch auf absehbare Zeit nur in der Science-Fiction geben (...).

[Auszug aus: Focus, 31/2001, p.100-101]

 

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