Grapheme und OrthographieGrapheme
Grapheme sind schriftsprachliche Notationen von Lauten. In der Geschichte der Entwicklung von Schriftsystemen war der Schritt von der Bild- und Lautsymbolschrift zur Phonetisierung der wichtigste Schritt. Im Idealfall müsste jedem Laut auch genau ein Buchstabe, ein Graphem entsprechen. Diese Entwicklung haben die Schriftsysteme Europas nicht erreicht, lediglich das Internationale Phonetische Alphabet folgt diesem Prinzip. Die heutigen romanischen Sprachen haben ihre Schriftsysteme zu unterschiedlichen Zeiten erhalten. Demnach spiegeln sich in den graphematischen Besonderheiten auch die verschiedenen historischen Perioden. Unter den Schriftsprachen ist das Rumänische wohl die Sprache mit der jüngsten schriftsprachlichen Tradition, wenn man die lateinische Schreibtradition betrachtet. Eine Grundregel kann man hier anwenden: Je jünger die Tradition einer Schriftsprache, desto näher sind die Grapheme für die Sprache an den Phonemen der gesprochenen Sprache. Je älter die schriftsprachliche Tradition, desto größer die Distanz zwischen der gesprochenen und der geschriebenen Sprache. George Bernard Shaw hat sich einmal über die Graphie des Englischen amüsiert, indem er auf die potentiellen graphematischen Gegebenheiten dieser Sprache anhand des "Wortes" ghoti hingewiesen hat. Er verdeutlichte, dass man dieses Wort fish aussprechen könnte: ghoti Das -gh- wird in engl
enough ausgesprochen wie: F
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Traditionen romanischer SchriftenIn
der Gruppe der romanischen
Sprachen befinden sich
eine ganze Reihe von Idiomen (oft regionale verbreitete Sprachen und
Dialekte), die noch keine allgemein akzeptierte graphische Wiedergabe kennen, keine
normierte (oder noch strittige) Schreibtradition, oder wie man
dies von Literatursprachen kennt, noch keine Orthographie. Die
zunächst als Willkürlichkeit wirkende Festsetzung von Schreibkonventionen
folgt stets bestimmten Traditionen und verliert bei näherer Untersuchung
den Aspekt des Willkürlichen. |
Neoromanische Graphien in der Sprachpolitik (Neuen Romania)Die Verschriftung von Kreolsprachen und bislang schriftlosen Sprachen durch sprachpolitisch intendierte Sprachenplanung stellen Anforderungen an die graphematische Umsetzung. Im Falle der französischbasierten Kreolsprachen wird die mit der Verschriftung verbundene Problematik besonders deutlich. Der linguistische Idealfall, der darin bestünde, jedem Laut genau ein Graphem zuzuordnen, entfernt das sprachplanerische Objekt allzuweit vom Französischen: Die Interkomprehension, die für das Bildungssystem oft unabdingbar ist, leidet darunter (Beispiel 1 und 2). Die allzu starke Anlehnung an die Graphie der Basissprache (Beispiel 3) vermittelt den oft pejorativ genutzten Eindruck, es handele sich um eine korrupte Form der Basissprache, um ein "schlechtes Französisch" (Beispiel 3). Die Eigenständigkeit einer Verschriftung durch Schaffung von Graphemen, die im Französischen eine andere Bedeutung haben (Beispiel 1) kann zwar identitätsstiftend für die Sprachgemeinschaft sein und vermittelt den Eindruck der Eigenständigkeit der Sprache, hemmt aber die Interkomprehension (etwa das /h/ in Beispiel 1. Es nasaliert hier den vorangehenden Vokal, während es im Französischen historischer Ballast ist). Den Mittelweg stellt die phonetisch orientierte an das Französische angelehnte Graphie in Beispiel 2 dar.
Beispiel 2 Seychellenkreolisch (Seychelles)A lokazyon zozurnen Enternasyonal Zanfan ki pe selebre ozordi partou dan pei, patronn Konsey Nasyonal Zanfan Madam Geva René i swet zot tou marmay en bon lafet e dir ki fot espere ki tou dimoun dan zot alantour in fer zefor spesyal pou rann sa zour en zour ere.
Lé Dié i lé prend cinq la journée pour fait tout lé quéque chose. Quant i lé ouvré son deux zié pour voir tout lé quéque chose qué i lé fait, ouala leur tout on sont zoli. Lé Dié i content. I besoin qué i va repos, i dit, qué i va fait lé nhomme. Alors i prend in pé la terre. I lé débrouillé! I lé fait lé nhomme.
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